Vergangene Sonderausstellungen
Ausstellungen im Museum Kitzbühel
Im Winter 2023/24 drehte sich in den Sonderausstellungsräumen des Museums Kitzbühel alles um das Thema Handwerk. Die Ausstellung machte auf die massive Veränderung aufmerksam, die das althergebrachte Kitzbüheler Handwerk zwischen 1870 und 1930 infolge technischer Fortschritte, des aufblühenden Tourismus und weiterer Faktoren durchlaufen hatte. Mit der Auflösung der alten Zünfte setzte ab 1860 eine beeindruckende Transformation im Kitzbüheler Handwerk ein, wie sich besonders deutlich am Beispiel der Wagner zeigt. Traditionell mit der Herstellung von Wagenrädern befasst, stellten sie ihre Fähigkeiten und ihr Wissen um die Bearbeitung von Holz erfolgreich auf die Erzeugung von Skiern und Rodeln um, um den neuen Anforderungen der Einheimischen, aber auch der neuen Wintergäste gerecht zu werden. Gleichzeitig begannen Schuster mit der Herstellung von Skischuhen und konzentrierten sich die Schneider auf die Produktion von Sportkleidung. Das Handwerk profitierte davon nicht nur selbst, sondern trug auch zum Erfolg des Wintersports in Kitzbühel bei. Dasselbe gilt für die Eröffnung von Kaffeehäusern durch in Kitzbühel ansässige Zuckerbäcker. Indem sie diesem durch Tourismus und allgemeinen Wandel der Lebensart entstandenen Bedürfnis nachkamen, schafften sie eine neue Einnahmequelle für sich selbst, aber auch eine neue Attraktion für Einheimische und Touristen. Um Platz für die wachsende Zahl an Gästen zu schaffen, wurden ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert vermehrt Ferienzimmer, Villen und 1903 mit dem Hotel Kitzbühel (heute Grand Hotel) ein erstklassiges Hotel gebaut. Damit einhergehend trug auch der neue Wohlstand der einheimischen Bevölkerung zu einer stark gestiegenen Bautätigkeit bei. Sie führte zum einen dazu, dass sich das Tätigkeitsfeld unter anderem von Sattlern und Tapezierern erheblich änderte. Waren sie in der Vergangenheit für die Herstellung von Sätteln und das Polstern einfacher Sitzgelegenheiten verantwortlich, wendeten sie sich nun vermehrt der Herstellung luxuriöser Möbel zu und bezeichneten sich selbst als Dekorateure. In Verein mit dem technischen Fortschritt schaffte der Bauboom zum anderen Raum für neue Berufsfelder. Der Einbau von Wasserleitungen rief Installateure auf den Plan, die zuvor häufig als Kupferschmiede tätig waren, mit der ‚Erfindung‘ des Stroms kümmerten sich Elektriker um die Versorgung der Haushalte mit Elektrizität. Es gibt viele weitere Faktoren, die zu diesem Wandlungsprozess beigetragen haben. Die Einführung neuer Maschinen und Werkzeuge, ermöglichte es Handwerkern, ihre Produktion effizienter zu gestalten. Die neu eröffnete Eisenbahnverbindung nach Kitzbühel und der Ausbau des Straßennetzes führten außerdem dazu, dass immer mehr Produkte von außerhalb nach Kitzbühel gelangten und sich Handwerker vermehrt auf den Handel konzentrierten. So wurden beispielsweise aus Schmieden Eisenwarenhandlungen und aus Müllern Lebensmittelhändler.
Leidenschaft Kunst“ versteht sich nicht nur als Titel der Sommerausstellung 2023 im Museum Kitzbühel, sondern ist zugleich Programm: Sammlerinnen und Sammler aus Kitzbühel und seiner Partnerstadt Sterzing präsentieren ausgewählte Teile ihrer Sammlungen und teilen auf diese Weise ihre Leidenschaft für Kunst mit einem öffentlichen Publikum. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Institution und privaten Leihgeberinnen und Leihgebern – eine Schau mit weit über 100 Werken prominenter österreichischer, deutscher und italienischer Künstler des 19. bis 21. Jahrhunderts – kann sich sehen lassen und darf als Zeugnis eines ausgeprägten Kunstinteresses in den beiden Partnerstädten gewertet werden.
Der berechtigten Annahme, dass glücklich ist, wer sammelt, wird im ersten Teil der Ausstellung Rechnung getragen. Auf 100 m² werden von den Sammlerinnen und Sammlern besonders geschätzte Werke zeitgenössischer Kunst gezeigt, die mit so prominenten Namen wie Carla Accardi, Lois Anvidalfarei, Robert Bosisio, Herbert Brandl, Piero Dorazio, Lyonel Feininger, Xenia Hausner, Jörg Hofer, Anselm Kiefer, Rachel Libeskind, Marino Marini oder Hermann Nitsch vertreten ist.
Die beiden Partnerstädte sind dann Angelpunkt eines zweiten Teils der Schau. Ansichten – unter anderem von Emil Fenzl, Adolf Kaufmann oder Franz Sedlacek – stellen das Kitzbühel und Sterzing der Jahrzehnte um 1900 vor. Mit der Gegenüberstellung mit zeitgleich entstandenen Reisebildern etwa eines Gottfried Seelos, Joseph Selleny oder Josef Stoitzner schärft die Perspektive der Ferne den Blick auf die Heimat. Apropos Heimat: Sie ist auch das Thema zweier kleiner für sich bestehender Sammlungen, zum einen von Tiroler Interieurs unter anderem aus den Händen Franz von Defreggers oder Josef Moroder Lusenbergs, zum anderen von Sterzinger Hornarbeiten.
Der in Tirol fest verwurzelten und von Sammlerinnen und Sammlern entsprechend geschätzten Tradition der Satire wird drittens mit Arbeiten von Eduard Thöny, Olaf Gulbransson, Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Paul Flora oder Herbert Rosendorfer Rechnung getragen.
Im zweiten Obergeschoß des Museums leiten einige wenige ausgewählte Farbholzschnitte des Jugendstils zum vierten Schwerpunkt über, der – dem Schauplatz Kitzbühel geschuldet – auf Alfons Walde und seinen Zeitgenossen liegt. Typische Walde-Motive wie Wintersport, Stadtansicht, Blumen und Bauern am Tisch sind Themen etwa auch von Ernst Nepo, Wilhelm Nikolaus Prachensky, Herbert Gurschner, Albin Egger-Lienz, Christian Hess oder Rudolf Wacker, dessen „Sträußchen mit Schmetterling“ zweifellos ein Highlight der Schau ist. Gerhild Diesner und Hilde Goldschmidt sind mit einem Stillleben bzw. einem Selbstporträt vertreten.
Dem Umstand, dass der Schwerpunkt vieler Sammlungen auf der Kunst nach 1945 liegt, wird im letzten Teil der Schau entsprochen. Werke von Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Max Weiler, Lucio Fontana, Fausto Melotti oder Elke Krystufek spiegeln expressive, abstrakte und konstruktivistische Strömungen der Nachkriegsjahrzehnte bis in die Gegenwart wider und schließen so den Kreis zu den eingangs präsentierten zeitgenössischen Werken.
Die Ausstellung wurde im Team von Eva Gratl, Carl Kraus, Michael Seeber und Wido Sieberer kuratiert und wird von einem 180 Seiten umfassenden Katalog begleitet.